Neulich zu Ostern: Neu- und Wiederentdeckung

Manchmal bedarf es viel Zeit bis sich einige Puzzlestücke zusammentun. So wie neulich in München.


Ich bin bereits einige Male im Nachtclub „P1“ ausgegangen. Vor lauter Dunkelheit ist mir jedoch nie aufgefallen, wo das „P1“ eigentlich untergebracht ist. Es bedurfte einen Bericht in der Zeitkunst (Ausgabe März 2015) und einen Spaziergang in der Prinzregentenstraße, um auf dieses tolle Museum aufmerksam zu werden.  Ich gebe gerne zu, dass Steinböcke nicht unbedingt die Schnellsten sind.


Haus der Kunst – gleich zwei tolle Ausstellungen werden dort präsentiert. Beide schwärmen von der Architektur –  die eine in Form von Zellen, die andere im klassischen Sinne.

Steht man in der riesigen Empfangshalle im Haus der Kunst, fallen einem die vielen Säulen und vor allem die Dunkelheit auf. Es ist der perfekte Ort für einen Rückzug. Und auch wenn München zu Ostern nicht das beste Wetter bieten konnte, an diesem Freitag schien draußen die Sonne. Ich ließ mir berichten, dass alle Münchener nun im Englischen Garten entspannen und die seltenen Sonnenstrahlen genießen würden. Ich dagegen war auf Kunstentdeckung. Und es gab einiges zu entdecken.


Linke Tür: David Adjaye – Form, Gewicht, Material (bis Ende Mai 2015)

Zunächst einmal dieser britische Architekt mit Vorfahren aus Ghana, der sich dadurch in London einen Namen gemacht hat, dass er eine Wand – aufgrund von Geldmangel – mit beschichtetem Sperrholz verkleidete, damit bei Passanten und Presse Aufsehen erregte und mit den Baubehörden Ärger bekam. Irgendwie rettete sich der gute Herr vor einem teuren Gerichtsprozess und bekam aufgrund seiner erlangten Popularität Aufträge. Und die kamen aus allen Herrenländern. Ob aus Ghana, Schweden oder Katar, Korea oder USA. Er scheint reichlich zu tun zu haben. Bald auch in Frankfurt!


Gleich zum Ausstellungsbeginn präsentiert das Haus der Kunst Adjaye’s Holz-Pavillon mit dem Namen „Horizon“. Und auch wenn ein Schild darauf hinweist, dass das Betreten auf eigene Gefahr erfolgt, hindert mich das nicht am Stolpern. Ich stelle mir vor, wie schön so ein Holz-Pavillon in der freien Natur sein würde, vor allem wenn man durchgeht und einem spektakulären Panorama von Bergen, Tälern und Wäldern entgegensteht. Eine Klanginstallation tut ihr übriges.


Weiter ging es mit Lebensräumen, Skizzenbücher, einem Materialverzeichnis, urbane Systeme und Gebäude (unter anderem das Konzept für den Frankfurter Bockenheimer Campus). Das scheint gut und interessant zu sein, aber mich interessiert viel mehr seine Denk- und Vorgehensweise beim kreativen Akt. Offenbar lässt sich Herr Adjayes nicht nur von der lokalen Umgebung, sondern auch von den Geschichten vor Ort für seine Bauten inspirieren. Die Kommunikation zwischen Wirklichkeit und Vorstellung lässt er dabei nicht außer Acht. Eine Vorgehensweise, die mir bekannt ist.


Moscow School of Management Skolkovo beeindruckte mich dabei am meisten. Es scheint, als wäre ein riesiges Raumschiff auf eine flache Landschaft gelandet, um mit seiner Größe und Form zu beeindrucken. Absolut sehenswert!


Rechte Tür: Louise Bourgeois – Strukturen des Daseins: Die Zellen (bis Anfang August 2015)

Nach fast zwei Stunden Architektur- und Textstudium überlegt man sich zweimal, ob man sich noch eine weitere Ausstellung vom gleichen Ausmaß antun möchte. Aber diese Gedanken verfliegen, wenn einem die Neugier packt und endlich herausfinden möchte, was riesige Spinnen für eine Bedeutung haben.


Ich erinnere mich daran, dass vor Jahren die Kunsthalle Bielefeld eine Bourgeois-Retrospektive gezeigt hatte und ich weiß noch genau, wie mich diese überdimensionalen Spinnen vor einem Ausstellungsbesuch abgehalten haben. Ich dachte, was soll der Mist. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass die Spinne ein Menschenfreund war und eine Schutzfunktion hatte.


Bis Dato waren mir Bourgeois-Werk und ihre 60 Zellen kein Begriff. Auch wenn ein Kritiker 1994 über ihre Arbeiten weniger freundlich schrieb: „Jedes Ding murmelt vor sich hin: Ich bedeute etwas“, diese Dame hat viel erlebt und hatte viel zu sagen. Väterlicher Ehebruch, ein fehlender Penis, ungewollte Isolation und die Angst vor dem Verlassen werden sind nur einige Beispiele. Ein wenig wie bei Frida Kahlo, bloß nicht nur auf die Malerei beschränkt.


Auch wenn Frau Bourgeois zunächst nur als Ehefrau eines Kunsthistorikers wahrgenommen worden ist und ihre Kunst als „Hausfrauenkunst“ verspottet worden ist, führt diese Ausstellung durch ein großes Kapitel ihres Werks und zeigt sogleich, dass sie zu recht zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt.


Im Gegensatz zu heute haben manch eine Künstlerin und Künstler nicht mehr viel zu teilen. Fehlt es an Erlebnissen? Mangelt es an Kreativität? Dabei glaube ich nicht, dass schon alles gesagt worden ist.


Der krönende Abschluss zu Ostern war der Besuch im Brandhorst-Museum. Davon berichte ich ein anderes Mal.