Stille

Ich saß abends mit Freunden zu Hause und sprach über Designs und Layouts für ein neues Projekt, als die erste Eilmeldung über ein Vorfall in Paris herein flatterte. Zu diesem Zeitpunkt hätte keiner daran gedacht, welche Katastrophe sich an diesem Abend ereignete.

In den nächsten Tagen schien sich die Welt zu verändern, zumindest die Westliche. Lebensfreuden wichen der Angst, friedliche Zeiten wichen dem Kriegsansagen und das unbekümmerte Lächeln der Trauer und den Sorgen. Und in unserem Schmerz und Bekümmertheit vergaßen wir, dass auch in anderen Teilen dieser Welt schlimme Vorfälle geschehen. Ob in Libanon, Mali oder Afghanistan, Israel, Syrien oder sonst wo auf der Welt – es fließen Tränen und die Menschen schlachten sich gegenseitig ab.

Wie soll man darauf reagieren? Wie soll ein Mensch oder eine Gesellschaft darauf reagieren? Ein Präsident ordnet Bombenangriffe an, eine Verteidigungsministerin spricht von Besonnenheit. Welche Reaktion ist darauf angemessen?


Es scheint so, als würde der gefühlte Rest der Menschheit die Zeit dazu nutzen, um eine Stellungnahme nach der anderen auf sozialen Medien abzugeben. Stellt sich nur die Frage, wen das interessiert.

Ein halbes Jahr später ist die Welt nicht ruhiger geworden. Massenbelästigung zum Neujahr, Flüchtlingswelle überschwemmt das ach so arme Europa und lässt die wohlernährten Europäer verhungern und verarmen; Möchtegern-Aufklärer mit rechtsradikalem Gedankengut sind wieder en vogue, während Flugzeuge zum Absturz gebracht werden und weitere Terroranschläge für Angst und Schrecken sorgen. In manchen Städten sucht der Terror deren Bevölkerung sogar zum dritten Mal auf; und ich dachte einmal Terror wiederholt sich nicht ein zweites Mal.

Als wäre das nicht schlimm genug, greift ein Verhasster legal zu Waffe und richtet im nächtlichen Tanzlokal eben mal 49 Menschen um. Wo man auch hinschaut, man kommt nicht zur Ruhe.

Passend dazu hat das Gesichtsbuch ein vorzeigbares Solidaritätsbild, welches der aktuellen Tragödie angepasst werden kann. Als stiller Beobachter hat man das Gefühl, irgendwie dabei sein zu müssen, sei es auch nur durch virtuelle Beileidsbekundung.

Wäre ich die personifizierte Welt, ich würde mir Stille wünschen. Eine Zeitlang Ruhe und einen Moment der Langeweile. Ein paar Monate, wo einfach mal nichts passiert. Einmal morgens aufwachen und das Gefühl haben, heute ist nichts zu tun. Die Welt muss nicht ein weiteres Mal gerettet werden. Idealerweise schaltet man die morgendliche Berichterstattung ein und die Fernsehsender haben nichts zu berichten außer: ALLES GUT HIER AUF DER WELT.

Bekommen wir das für einen Moment hin?